21 Jahre. So groß ist die Zeitspanne, in der die Siege aller aktiven Piloten der Formel 1 hineinfällt. Mit Lando Norris ist die Liste seit Miami um einen Fahrer reicher. Die Erfolgsdichte im Feld ist aktuell hoch. Wann feierte jeder dieser 12 (oder 13, mit einem Sternchen …) also seinen Durchbruch? Die ersten Siege, wie lange es dauerte, und was danach kam.
Fernando Alonso: Ungarn-GP 2003
29 Rennen bis zum ersten Sieg, ein respektables Tempo bis zum ersten Sieg. Erst recht unter den Umständen, dass Fernando Alonso ein Jahr bei Minardi verbrachte. 2003 war erst seine zweite Vollzeit-Saison, und seine erste bei einem guten Team. Kein Top-Team, Renault war damals noch im Aufbau begriffen. Ungarn war Alonsos großer Moment: Zweite Karriere-Pole, dann eine fast dominante Fahrt zu einem Sieg mit 16,768 Sekunden Vorsprung auf Kimi Räikkönen.
Auf den zweiten Sieg musste er bis 2005 warten, aber ab da ging es ab. Zwei WM-Titel folgten, inzwischen hält er bei 32 Siegen. Mit einem Makel: Seit 2013, also seit über einem Jahrzehnt, herrscht Dürre. Nicht, weil Alonso es nicht mehr kann. Sondern weil er seit dem Verlassen von Renault 2006 kaum das glücklichste Händchen bei der Teamwahl hatte.
Lewis Hamilton: Kanada-GP 2007
Lewis Hamilton war der Senkrechtstarter des Jahres 2007, und das untermauerte er mit einem Podium beim Debüt. Der Sieg folgte (zusammen mit der ersten Pole) im fünften Grand Prix der Karriere in Kanada. Ausgerechnet Alonso bezwang er. Der war 2007 sein Teamkollege, und wohl überrascht durch die doch heftige Gegenwehr des Youngsters Hamilton, der schließlich das Jahr punktegleich mit dem Spanier auf WM-Rang zwei beendete.
Seinen Debüt-Sieg vor dem BMW von Nick Heidfeld hatte Hamilton beeindruckend unter Kontrolle, während Alonso ein von Fahrfehlern durchzogenes Rennen lieferte. Im F1-Gedächtnis verankert ist Kanada 2007 aber nicht wegen Hamiltons ersten Sieg – sondern wegen eines Horror-Crashs von Robert Kubica, der zum Glück mit leichten Verletzungen davonkam. Und Hamilton-Siege sind schließlich nichts Besonderes mehr. Schließlich hält der Brite mit 103 Siegen (und 7 WM-Titeln) inzwischen den Rekord.
Daniel Ricciardo: Kanada 2014
Kanada ist ein populäres Pflaster für erste Siege. Daniel Ricciardo gelang hier 2014 im 57. Anlauf der Durchbruch. Das Jahr war sein erstes in einem Top-Team, und Ricciardo beeindruckte mit starken Leistungen neben Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel. In Kanada war etwas Glück dabei: Die bis dahin in dem Jahr dominanten Mercedes litten im kanadischen Sommer unter überhitzenden MGU-K-Einheiten. Lewis Hamilton fiel aus, und dem angeschlagenen Nico Rosberg entriss Ricciardo drei Runden vor Schluss den opportunistischen Sieg.
Davor hatte sich Ricciardo allerdings auch auf der Strecke gegen Vettel behaupten und Sergio Perez überholen müssen. Seine Qualitäten zeigte der Australier im gleichen Jahr mit zwei weiteren Siegen. Der große Durchbruch kam jedoch nie. Bei den damals nie konstant siegfähigen Red Bulls holte er insgesamt sieben Siege. Teamwechsel brachten keine Erfolge, nur einen (bislang) letzten achten Triumpf 2021 mit McLaren in Monza.
Max Verstappen: Spanien 2016
Von allen Sensationssiegen war Max Verstappens Sieg im 24. Formel-1-Rennen einer der spektakulärsten. Als 17-Jähriger war er im Vorjahr eingestiegen. 2016 setzte ihn Red Bull, unzufrieden mit der Leistung von Daniil Kvyat, in Barcelona ins zweite Auto neben Daniel Ricciardo. Damit nahm die Geschichte ihren Lauf.
Beim Start schossen sich die dominanten Mercedes an der Spitze aus dem Rennen. Red Bulls Strategie-Entscheidungen auf Verstappen-Seite waren rückblickend besser, und unter immensem Druck von Kimi Räikkönen brachte der 18-Jährige den Sieg ins Ziel. 57 weitere und drei WM-Titel folgten.
Valtteri Bottas: Russland 2017
Den Großteil der ersten 80 Grand Prix verbrachte Valtteri Bottas bei Williams höchstens mit Außenseiterchancen. Für 2017 kam der Anruf von Mercedes. Im 81. GP der Karriere triumphierte er in Russland. Von Platz drei kommend schnappte sich Bottas hin zur ersten Kurve auf der langen Geraden die Führung. Herausforderungen von Ferrari-Pilot Sebastian Vettel wehrte er im Rennverlauf ab. Als klare Nummer zwei von Lewis Hamilton gewann er bei Mercedes in fünf Jahren insgesamt 10 Grands Prix, ehe er sich 2022 zurück ins Mittelfeld zu Sauber verabschiedete.
Charles Leclerc: Belgien 2019
Charles Leclerc war Ferraris Goldjunge in den Nachwuchsklassen. Nach nur einem Jahr im Sauber landete Leclerc 2019 schon im Werksteam, und eigentlich hätte er schon im 23. Versuch den ersten Sieg feiern sollen, bei seinem zweiten Rennen für die Scuderia. In Bahrain 2019 hatte er alles unter Kontrolle, dann ging ihm wenige Runden vor Schluss der Motor kaputt. Erst in Rennen 34 war es dann tatsächlich so weit. Pole, Sieg, trotz immensem Druck von Lewis Hamilton in der Schlussphase.
Für Leclerc ist der erste Sieg leider mit einer Tragödie verbunden: Am Vortag verstarb im F2-Rennen in Spa Anthoine Hubert. Richtig feiern konnte er erst einen Grand Prix später, als er auch in Monza gewann. Seitdem folgten jedoch – vor allem einer inkonstanten Form von Ferrari geschuldet – nur drei weitere Siege im Jahr 2022.
Pierre Gasly: Italien 2020
Zum ersten Sieg brauchte es für Pierre Gasly richtig viel Glück. 2019 hatte er bei Red Bull die große Chance bekommen, konnte aber nicht abliefern und wurde in der Sommerpause ins Mittelfeld-Team Toro Rosso/AlphaTauri degradiert. Auch im 55. Anlauf schien es in Monza der übliche Kampf um die letzten Punkteränge zu werden.
Von P10 gestartet, stoppte Gasly früh – und dann kam plötzlich ein Safety Car. Alle anderen stoppten, Gasly wurde vorgespült. Dann kam eine 10-sekündige Stop-und-Go-Strafe für Lewis Hamilton. Plötzlich war Gasly in Führung. Und hielt 19 Runden lang dem Druck von Carlos Sainz stand, um seinen bislang einzigen Sieg zu feiern.
Sergio Perez: Sakhir 2020
Jahrelang war Sergio Perez der Meister des Mittelfeldes. Dort gewinnt man in der Formel 1 aber keine Rennen. 2020 wurde er auch noch von seinem Langzeit-Team Racing Point an die Luft gesetzt. Ferner denn je schien der Sieg beim Start in sein 190. Rennen in Sakhir, dem vorletzten für Racing Point. In der ersten Runde wurde er rausgeboxt, fiel auf den letzten Platz zurück und musste auch noch stoppen. Doch die Formel 1 schreibt seit jeher wundersame Geschichten.
Perez’ Aufholjagd mutete schon stark an, und schließlich kamen ihm die Renngötter zu Hilfe. Bei Safety-Car-Boxenstopps verwechselte die das Rennen kontrollierende Mercedes-Mannschaft die Reifen ihrer Fahrer. Perez übernahm die Führung, hielt sich dort, und bescherte sich und seinen jahrelangen Kollegen und Freunden bei Racing Point das bestmögliche Abschiedsgeschenk. Und sicherte sich obendrauf einen Wechsel zu Red Bull, wo er bislang fünf weitere Siege nachschob.
Esteban Ocon: Ungarn 2021
Nicht minder viel Glück benötigte Esteban Ocon. Anders als Gasly oder Perez verbrachte er seine komplette bisherige Karriere in Mittelfeld-Teams ohne echte Sieg-Chancen. Doch in einer chaotischen Startphase schlug 2021 in Ungarn im 78. Anlauf seine Stunde. Erst gab es einen Massencrash bei einem Regenstart, der praktisch alle Top-Autos bis auf Lewis Hamilton aus dem Rennen nahm. Dann traf Mercedes beim Neustart eine desaströse Strategie-Entscheidung und blieb auf Intermediates draußen, während alle anderen nach der Formationsrunde auf Slicks wechselten.
Ocon schummelte sich damit gemeinsam mit Sebastian Vettel an die Spitze des Feldes. Vettel hielt er bis ins Ziel auf Distanz. Dass er gewann, hatte er aber auch seinem damaligen Teamkollegen bei Alpine, Fernando Alonso, zu verdanken. Der hielt einen entfesselt wieder durch das Feld stürmenden Hamilton mehrere Runden lang auf und erkaufte Ocon vorne die wertvollen letzten Sekunden, um vor dem überlegenen Mercedes zu bleiben. Wie Gasly hatte Ocon seither nie das Material für weitere Siege.
Carlos Sainz: Großbritannien 2022
150 Versuche benötigte Carlos Sainz bis zum Durchbruch in Silverstone 2022. Pech für ihn: Er galt als fähiger Fahrer, doch jahrelang war kein Top-Cockpit offen. Dann ging er zu Ferrari, die aber im Wiederaufbau begriffen waren. 2022 war das Auto teils siegfähig, Teamkollege Charles Leclerc aber stärker. Dann kam Silverstone. Mit seiner ersten Pole, im Nassen, ließ Sainz schon am Samstag aufhorchen.
In einem turbulenten Rennen musste er sich jedoch augenscheinlich Leclerc erneut geschlagen geben. Dann kam ein spätes Safety Car, und Ferrari ließ Leclerc auf alten Reifen draußen. Sainz, und fast alle anderen, kamen zum Stopp. Der Box redete er beim Restart die unsinnige Anweisung, Leclerc 10 Fahrzeuglängen Puffer zu geben, wieder aus. Stattdessen überholte er den Teamkollegen und fuhr zum ersten Sieg. Nur zwei weitere folgten seither, Dominanz der Konkurrenz erschwert die Lage.
George Russell: Brasilien 2022
Sergio Perez’ Sieg 2020 in Sakhir? Hätte eigentlich George Russells sein sollen. Der Mercedes-Junior wurde für ein Rennen als Ersatzmann für Lewis Hamilton dort eingestellt, doch ein vergeigter Boxenstopp und ein Reifenschaden ruinierten alle Chancen. Halb so wild, 2022 wurde Russell Vollzeit-Werksfahrer. Oder? Leider verpatzte Mercedes den Regel-Umschwung und stellte ihm kein siegfähiges Paket hin.
So dauerte es bis zum 81. Anlauf, ehe Russells Erlösung kam. An einem turbulenten Wochenende gewann er schon den Sprint am Samstag, und überstand im Grand Prix alle Gegenwehr, einschließlich eines Schlussspurts mit Lewis Hamilton im Nacken.
*** Oscar Piastri: Katar 2023
Sieg ist Sieg? Na ja, Sieg ist in der Formel 1 inzwischen eben nicht mehr gleich Grand-Prix-Sieg. Seit 2021 gibt es eine Handvoll samstäglicher Sprintrennen pro Jahr, und in einem dieser, nämlich Katar 2023, stellte Oscar Piastri an seinem 17. Wochenende seinen McLaren auf Pole und rettete sich vor Max Verstappen über die Ziellinie. Es ist kein Grand Prix, aber zumindest erwähnenswert. Im Hauptrennen wurde Piastri Zweiter.
Lando Norris: Miami 2024
Jüngster Eintrag im Club der GP-Sieger ist Lando Norris. Der seit seinem Debüt 2019 McLaren treue Brite vergab in einem plötzlichen Regenguss 2021 in Russland die erste Chance im 53. Versuch. Die zweite Chance, und wohl das erste Mal in einem aus eigener Kraft siegfähigen Auto, verwandelte Norris. Wenn er auch im 110. GP wieder etwas Glück brauchte. Ein Safety Car zum perfekten Zeitpunkt spülte Norris auf den ersten Platz. Die zweite Rennhälfte kontrollierte er aber das Feld und ließ den Sieg nie anbrennen.